Frank Stelzer,
ein Motor auf dem Richtertisch
Der Otto-Motor ist eine komplizierte technische
Mißgeburt. An dieser Krücke wird seit über hundert Jahren
verbissen herumgebastelt und der Eindruck erzeugt, daß auf dem Gebiet
der Antriebsaggregate kaum ein Fortschritt möglich sei. Um diese Vorstellung
zu nähren und zu erhalten, werden vernünftige Alternativen bekämpft.
Droht eine Alternative sich durchzusetzen, die dazu beitragen kann, Arbeit
zu erleichtern, Energie zu sparen und so die Umwelt zu schonen, treten
endlich Juristen auf und maßen sich ein Urteilsvermögen auch
auf technischem Gebiet an. Der Erfinder wird mit Paragraphen zur Strecke
gebracht, Juristen, munitioniert vom Enkel unseres ehemaligen Bundespräsidenten
von Weizsäckers, werden zu Erfüllungsgehilfen der Großindustrie.
Aus: "Das Galilei
Syndrom - Unterdrückte Erfindungen und Entdeckungen"
Frank Stelzer,
Konstrukteur des Stelzer-Motors,
kämpft
seit 20 Jahren um die Anerkennung
und
Vermarktung seiner "revolutionären"
Idee
Porträt aus der Frankfurter Rundschau, 11.
Mai 1996
von Hans Konanz
OBERURSEL - Wenn Frank Stelzer spricht, ist das wie
ein Gewitter. Sätze wie Donnerschläge: "Wenn mein Vater in seiner
SA-Uniform umherstolzierte, dachte ich nur, hoffentlich wirst du nicht
so doof wie der!" Oder: "Ein Erfinder arbeitet für die Allgemeinheit,
wer einem Erfinder schadet, schadet der Allgemeinheit, wenn mehrere der
Allgemeinheit schaden, ist das eine kriminelle Vereinigung!"
Trüge er eine Toga, das Bild eines römischen
Orators wäre perfekt. Der drahtige Mann, dem keiner abnimmt, daß
er schon 62 Jahre zählt, ist ständig in Bewegung, gestikuliert,
spricht laut und sonor und unaufhaltsam von technischen Daten, streut Biographisches
ein und Lebensweisheiten, wird plötzlich zum Kabarettisten, dann zum
Ankläger. Ein erstaunlicher Mensch. Frank Stelzers Redefluß
hämmert wie ein Maschinengewehr, nein, treffender: wie ein Motorkolben,
wie sein freischwingender Kolben, der nach seiner und der Überzeugung
vieler Experten "revolutionär" ist. Er ist das Kernstück des
Stelzer-Motors, der längst Eingang gefunden hat im Brockhaus
für Naturwissenschaften und Technik , in Meyers Neuem Lexikon,
in zahllosen Fach- und Tageszeitungspublikationen.
Notwendiger technischer Exkurs: Frank Stelzers Motor
besteht nur aus wenigen Teilen und besitzt lediglich ein bewegliches Teil
- im Gegensatz zu 400 mobilen Teilen im Otto- und 140 im Wankel-Motor.
Nämlich besagten Stufenkolben, dessen Enden über den Zylinderblock
hinausragen. Im Gehäuse befinden sich zwei Brennräume mit Zündkerzen
und zwei Verdichtungskammern, wo der Kolben 1000- bis 20 000mal in der
Minute hin- und herschwingt und die Ein- und Auslaßschlitze sowie
die Überstromkanäle freigibt und schließt.
Die Vorteile einer solchen Konstruktion erschließen
sich auch Nichttechnikern: Da der Motor eben nur aus wenigen Teilen besteht,
betragen die Herstellungskosten einen Bruchteil herkömmlicher Motoren.
Wegen des nur einen beweglichen Teils ist der Verschleiß wesentlich
geringer.
Der Motor hat eine höhere Lebensdauer (Stelzer:
"mindestens viermal länger"), dazu kommt wegen der fehlenden Mechanik
ein geringer Verbrauch an Energie (Stelzer: "30 Prozent weniger"). "Der
Drei-Liter-Motor - längst erfunden" , titelte eine süddeutsche
Zeitung, als der Oberurseler einen Prototyp im Deutschen Museum vorstellte.
Warum wird dieser Motor, wenn er tatsächlich
so sensationell ist, nicht schon längst in Serie gebaut? Diese Frage,
so Stelzer, habe er sich zuletzt vor 20 Jahren gestellt, als er noch ganz
"naiv" war. Damals habe er gedacht, es würde den deutschen Ingenieuren
reichen, wenn eine These aufgestellt und im äußersten Fall an
einem funktionierenden Prototyp die Richtigkeit der Behauptung nachgewiesen
würde. Doch eine Neuerung muß erst als Patent zugelassen werden,
denn dort wird nicht nur das "wesentlich Neue im Sinne der Technik", sondern
auch die praktische Realisierbarkeit einer Erfindung geprüft. Die
komplizierte und teure Prozedur des Anmeldens, die Kosten des Patentanwalts
und die jährlichen Erhaltungsgebühren haben schon manchen Tüftler
ruiniert, der seine Neuerung nicht sofort an die Industrie verkaufen wollte.
Der Stelzer-Motor hat heute in 19 Industrieländern Patentschutz. Mindesten
300 000 Mark hat der Forscher allein dafür investiert.
In den 70er Jahren hatte Stelzer Material auf dem
Schrottplatz gesammelt und oft nicht gewußt, wie er Strom und Telefon
zahlen sollte. Heute stehen in seiner Werkstatt in Oberursel Präzisionsmaschinen.
"Die da kommt aus China, kostet nur 20 000 Mark, ist aber genauso gut",
sagt er, während er zwischen seinen Dreh-, Bohr- und Fräsmaschinen
das Thema "Geld" anspricht.
Aus seinem Geldbedarf resultieren Konflikte mit der
Justiz. Stelzer hatte sich offenbar mit einer obskuren Kapitalbeschaffungsfirma
eingelassen. Der Wirtschaftswissenschaftler Armin Witt widmet dem Fall
in seinem Buch "Das Galilei Syndrom - Unterdrückte
Erfindungen und Entdeckungen" (Ullstein, 1993) ein umfangreiches Kapitel.
Er spricht von "Schlammschlachten ums vermeintlich große Geld" und
geht scharf mit Frankfurter Ermittlern ins Gericht: "Es ist mehr als befremdlich,
wenn ein Staatsanwalt versucht, sich zum Fürsprecher von Steuerverkürzern
und -hinterziehern, profitgierigen Anlegern und Schwarzgeldinvestoren zu
machen - in einem Wirtschaftssystem, in dem Betrug immanent ist." Gegen
Frank Stelzer, wettert der Autor, sei zum "juristischen Totschlag" ausgeholt
worden, und weiter: "Droht eine Alternative sich durchzusetzen, die dazu
beitragen kann, Arbeit zu erleichtern, Energie zu sparen und so die Umwelt
zu schonen, treten Juristen auf und maßen sich ein Urteilsvermögen
auch auf technischem Gebiet an. Der Erfinder wird mit Paragraphen zur Strecke
gebracht."
So weit ist es im Falle Stelzer nicht gekommen. Der
ist ein Kämpfer, der demonstrativ einen Prototyp seines Motors anwirft
und dann siegessicher verkündet: "Er wird sich durchsetzen!" Ist es
der Hochmut eines Phantasten, wenn er an Philipp Reis, den Erfinder des
Telefons, erinnert? "Reis stellte seine Erfindung auf einer Messe in Frankfurt
vor. Er wurde dafür vom deutschen Kaiser ausgelacht. Philipp Reis
bekam Depressionen und stellte seine Arbeit ein. Das Telefon wurde Jahre
später von dem Amerikaner Graham Bell realisiert - weil sich Reis
von einem, der auf dem Sektor Elektrotechnik ungebildet war, dem Kaiser,
hatte beeinflussen lassen!"
Trotzdem nachgefragt: Warum dauert es so lange, wenn
die Vorteile des Motors auf der Hand liegen? Stelzers Antwort, dahergehämmert
in rasantem Stakkato: "Der Hubkolbenmotor, der ja aus dem vorigen Jahrhundert
stammt, ist etwa eine Milliarde mal gebaut worden, Milliarden sind in diesen
Motor investiert worden, Milliardengewinne wurden mit ihm erzielt. Investitionen
und Gewinne in dieser Größenordnung gibt niemand so leicht auf.
Die Konzerne stünden bei der Einführung eines neuen Motorsystems
vor einer industriellen Umrüstung von kaum vorstellbaren Dimensionen.
Hinzu kommt, daß die Konzerne, die Otto- und Dieselmotoren bauen,
die Monopolmacht haben. Durch meinen Motor, der wesentlich billiger ist,
hätten Außenseiter eine Chance, in die Monopolmacht einzudringen."
An Interesse an seinem Motor habe es nie gefehlt,
sagt Frank Stelzer, nur: "Jeder wollte immer alles kaufen. Ein paar Millionen
Dollar wurden mir geboten, mir wäre damit geholfen gewesen, aber wem
sonst? Der Stelzer-Motor wäre mit hoher Wahrscheinichkeit in irgendeiner
Schublade verschwunden."
Hier ist ein Pokerspiel im Gange. Es geht um riesige
Summen, auch wenn dieser Mann, dieses Kraftpaket von 65 Kilo, versichert,
er lebe nicht fürs Geld, sondern nur für seine Erfindung. An
einer Stelle wird er plötzlich ganz still und nachdenklich: "Aber
auch ich lebe nicht ewig."
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Brockhaus für Naturwissenschaften
und Technik: Eintrag "Stelzer-Motor"
Süddeutsche Zeitung: "Der
Drei-Liter-Motor - längst entwickelt"
VDI-Nachrichten: "Der Motor
arbeitet ohne Mechanik"
Ingenieursbericht "'Stelzer'-Motor:
Einsatzmöglichkeiten auf allen Gebieten"
Abbildung Motorblock und Freikolben
(57 KB)
Abbildung Funktion des Stelzer-Motors
(64 KB)
Abbildung Einsatz als Pumpe
(47 KB)
Abbildung Einsatz als hydrodynamischer
Antrieb (37 KB)
Abbildung Einsatz als Kompressor
(43 KB)
Abbildung Einsatz im Automobil
(26 KB)
newspaper article on Stelzer
engine in English
E-Mail: arminwitt@t-online.de
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