Das Wilhelm-Busch-Wort "Ritzeratze, voller Tücke,
in die Brücke eine Lücke" wird von der westdeutschen Bauindustrie
seit Mitte der sechziger Jahre geräuschlos und trickreich in die Tat
umgesetzt. Die bösen "Buben" der Beton-Mafia schufen ein narrensicheres
System, das ihre Baukonjunktur in Schwung hält, verlottertes und vertrotteltes
Beamtentum nicht auffliegen und die Bauindustrie abkassieren läßt,
da Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden. Vor noch nicht so
langer Zeit wären diese "Baumeister" geköpft worden.
Wer heute kostengünstigere Brücken
"für die Ewigkeit" bauen kann, wird verleumdet und kaltgestellt. Wenn
dieser Baumeister auch noch den Schwindel der Beton-Mafia nachweist, wird
er vor Gericht gestellt und auf seinen Geisteszustand hin untersucht.
(Zu diesem Kapitel aus dem "Galilei Syndrom" erstellte
das Bundesverkehrsministerium ein umfangreiches "Gutachten", das seit Jahren
als Geheimdossier kursiert. Der Autor des "Galilei Syndroms" erhält
dieses "Gutachten" jedoch nicht. Es sei nur für den internen Dienstgebrauch).
Aus: "Das
Galilei Syndrom -
Unterdrückte Erfindungen und Entdeckungen" (1991)
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*
Eingestürzte Autobahnbrücke
bei Aschaffenburg: "Baun 'mer mal, dann schaun 'mer mal"
Des Kapitels
über den deutschen Brückenbau aus dem "Galilei Syndrom"
nahm sich im Jahre 1995 auch Der Spiegel an.
In der Nr.
34 berichtete er ab Seite 142 unter dem Titel:
"Ein gewisses Gottvertrauen"
Es bröselt, rostet und reißt
- viele Brücken in Deutschland sind vorzeitig verschliessen. Die Fehler
entstanden im Bauboom nach dem zweiten Weltkrieg: Die Spannbetonbauer wußten
zuwenig über die Tücken dieser eleganten Bauweise, sie bauten
zu schnell und nicht selten schlampig.
Knapp 34000 Brücken überspannen
Deutschlands Flüsse und Täler, Gleisanlagen, Feldwege und Kanäle.
Sie sind nach Ansicht des Bundesverkehrsministerium (BMV) die "empfindlichsten
und kostspieligsten Bestandteile" des 622 600 Kilometer langen Netzes von
Land-, Kreis-, Bundesstraßen und Autobahnen.
Rund 400 Millionen Mark werden in
diesem Jahr für die Erhaltung der Brückenbauwerke aufgewendet.
Doch reicht diese Summe? Fachleute bezweifeln es. In den zuständigen
Ministerien und Bauverwaltung ist die Rede vom "erkrankten Verkehrskörper",
vom "Patienten Brücke" und von "Zeitbomben aus Stahl und Beton". Dem
Straßenverkehr drohe, wenn schadhafte Brücken gesperrt werden
müssen, der Kollaps, in dessen Folge Deutschlands Autofahrer "lernen
müssen, mit dem Stau zu leben". Die Volkswirtschaft tue gut daran,
sich auf "schwerwiegende Behinderungen" einzustellen.
Zwar sei keine Brücke
in Deutschland „derzeit eine Todesfalle“, sagt Albert Treitwein, Professor
für Stahlbeton und Spannbeton an der Münchner Fachhochschule.
„Tatsache“ sei jedoch, daß es „sehr, sehr viele malade Brücken“
gebe.
Andere Experten äußern
sich noch widersprüchlicher. „Akut ist wohl keine Brücke vom
Einsturz bedroht“, versichert Johannes Vielhaber, Ingenieur der Bundesanstalt
für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin. „Andererseits“,
so Vielhaber, „auszuschließen ist es auch nicht.“ Welche Gefahren
und Kosten mit dem plötzlichen Einbruch von Brücken und vergleichbaren
Betonbauwerken verbunden sind, machen vergangene Beispiele deutlich:
1976 mußte die damals
erst 18 Jahre alte Autobahnbrücke am Heerdter Dreieck durch Hilfstützen
vor dem „Beinahe-Einsturz“ bewahrt werden. 1979 wurde die erst 20 Jahre
alte
Stadtautobahnbrücke
im Berliner Stadtteil Schmargendorf (Länge: 300 Meter, Baukosten:
6 Millionen Mark) abgerissen und durch einen 71 Millionen Mark teuren Neubau
ersetzt.
1980 krachte das Spannbetondach
der Berliner Kongreßhalle (Baujahr 1957) zusammen und erschlug einen
Rundfunk-Reporter. „Eine größere Anzahl“ der Stahltrossen, die
das flügelhaft gespannte Betondach in der Schwebe hielten, war gerissen
– so die Analyse der Unfallforscher.
1988 brach schon beim Bau
einer Autobahnbrücke über den Main bei Aschaffenburg ein 24 Meter
langes Teilstück ab, ein Mann kam dabei ums Leben.
1990 sackte die Inntal-Autobahnbrücke
bei Kufstein ein, die Reparatur dauerte zwei Jahre und kostete knapp 50
Millionen Mark.
Die Vergangenheit, so scheint
es, beginnt Deutschlands Brückenbauer einzuholen:
Was mittlerweile an vielen
Stellen bröselt, rostet und wegbricht, wurde meist in den ersten Jahrzehnten
der Bundesrepublik errichtet.
Mehr als 10 000 Brücken
sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland gebaut worden, die
meisten von ihnen nach einem Verfahren, das die deutschen Brückenbauer
ohne viel Erfahrung gleichsam direkt aus der Erfinderwerkstatt übernommen
hatten: die
Technik des Spannbetonbaus.
Entwickelt wurde diese Bauweise
von dem französischen Ingenieur Eugene
Freyssinet. Er baute seine
ersten Spannbetonbrücken in Deutschland, 1938 über die Autobahn
bei Oelde und 1942 über die Glatzer Neiße im heutigen Polen.
Beide Brücken zeigen bis heute, sagt der Brückenbauer Philipp
Schreck aus dem Münchner Vorort
Neubiberg, „keine Alterserscheinungen,
der Beton ist fest, ohne Risse und die Vorspannung intakt“.
Freyssinet hatte in die
Brückenträger unter den Fahrbahnen Hüllrohre verlegt, in
denen Stahlseile verlaufen. Sie wurden nach dem Erhärten des Betons
gespannt und gegen diesen verankert, wobei sich die Zugkräfte der
Seile auf den Beton übertrugen. Um die Vorspannung zu festigen, wurde
zudem Zementmörtel in die Hüllrohre gepreßt.
Die Spannbetonbauweise bot
eine Reihe von Vorteilen, von denen sich aus heutiger Sicht die Nachkriegsbaumeister
offenbar blenden ließen. Gegenüber herkömmlichen Stahlkonstruktionen
waren die Brücken aus Spannbeton um etwa 40 Prozent billiger. Und
im Vergleich zu den klobigen Stahlbetonbrücken, deren Fahrbahnbeton
mit
Drahtmatten gefestigt wurde
(Fachjargon: „schlaffe Bewehrung“), erlaubte die neue Technik ästhetisch
schöne Brückenschläge großer Spannweiten.
Kühn und elegant, die
danach zumeist auch frei von Rissen blieben. Auf jeweils
zwei Pfeilern ruhend, konnte
sich jedes Teil unter den „Lastfällen“ (Ingenieur-
Jargon) Temperatur, Wind
und Verkehr innerhalb des zulässigen Spielraums frei verformen.
Bei der Anwendung des Spannbetons
schritten die deutschen Brückenbauer
forsch voran. Trotz „erheblicher
Wissenslücken“ (Vielhaber) und ohne ausreichende Kenntnis der „chemisch-physikalischen
Grundlagen“ (Treitwein), die dem neuen Verfahren anhafteten, schlugen die
Nachkriegsbaumeister frohgemut Hunderte von Brücken, meist nach dem
Motto: „Baun ’mer mal, dann schaun ’mer mal.“
Besonders eifrig war der
Stuttgarter Massivbauprofessor Fritz Leonhardt. Er entwickelte die Technik
der „Hohlkasten-Durchlaufträgerbrücken im Taktschiebeverfahren“.
Bei dieser Methode wird
der Brückenträger samt Fahrbahn, ähnlich einer Lasagne-Schlange
aus der Pasta-Maschine, abschnittweise um etwa 30 Meter verlängert
und mit hydraulischen Pressen über die Stützpfeiler der Brücke
vorgeschoben.
Als ein Problem dieser Bauten
gilt inzwischen, daß der unter der Fahrbahn verlaufende Brückenträger
vergleichsweise groß bemessen ist – Risse im Beton ließen sich
dadurch nicht vermeiden.
Sie entstanden einerseits
durch unsachgemäße Vorspannung, andererseits durch die Temperaturunterschiede
zwischen der Ober- und Unterseite des Brückenträgers, die durch
die Abbindewärme des Betons und durch die Sonnenbestrahlung hervorgerufen
wurden.
Dar über hinaus taten
sich Risse in den vorgespannten Durchlaufträgern beidseits
der Stellen auf, wo diese
auf den Pfeilern auflagen.
Ein Riß im Brückenbeton
aber, macht Brückenbauer Schreck unter Hinweis auf die Erfahrungen
im Flugzeugbau geltend, ist „der Anfang vom Ende – er leitet den Dauerbruch
ein“.
Durch die Betonritzen, die
sich durch das Temperaturgefälle und die Verkehrsbelastung
beständig öffnen
und zusammenziehen, dringt Wasser ein, mal als Regen, mal als mit Chemikalien
versetztes Tauwasser. Die Feuchtigkeit kriecht in den Betonkörper
und führt
allmählich zur Korrosion
der Bewehrung.
Das Nagewerk des Rostes
zeigte sich beispielhaft bei der Reparatur der von „Brückenpapst“
Leonhardt konzipierten Inntal-Autobahnbrücke: Alle Spannstähle
waren durchgerostet.
Daß es um andere Talbrücken
des Bundesautobahnnetzes möglicherweise nicht besser bestellt ist,
zeigte sich schon Anfang der achtziger Jahre. Im Rahmen einer „Risikostudie“
hatten die Bonner Ministerien für Verkehr und für Forschung (BMFT)
eine Reihe von Talbrücken untersuchen lassen.
Die Studie, deren Veröffentlichung
über einen Vorabdruck zum Dienstgebrauch nicht hinauskam, gelangte
zu dem Ergebnis, daß alle 55 inspizierten „Durchlaufträgerbrücken
im Hohlkastenquerschnitt“ durchschnittlich alle zwölf Meter Risse
aufwiesen. Gerissen
waren zudem sämtliche
Koppel- und Arbeitsfugen der Brückenträger.
Die gemessenen Rißbreiten
hätten, so Schreck, eigentlich eine „sofortige Sperrung
dieser Brücken“ erforderlich
gemacht.
Doch die Bauherren und die
Erbauer steuerten trotzig dagegen. „Ohne Risse geht es nicht“, befand etwa
Baumeister Leonhardt und erklärte „solche Risse“ für „unschädlich“.
Hilflos bis naßforsch
äußerten sich Mitglieder des Normenausschusses Bauwesen zu der
Forderung, Spannbetonbrücken müßten rissefrei gebaut werden.
Die Einlassungen reichten,
wie der Münchner Wirtschaftswissenschaftler und Buchautor Armin Witt
schreibt, von der Aussage „Wir können doch die Erkenntnisse der Physik
nicht in die Vorschriften aufnehmen“ bis hin zu der verblüffenden
Feststellung: „Wenn wir
die Temperaturlastfälle
in die Vorschriften aufnehmen, können wir keine Atomreaktordruckbehälter
mehr aus Spannbeton bauen.“
Entsprechend dem schlechten
Zustand, in dem sich ungezählte Brückenbauwerke
befinden, ist der Finanzbedarf
für Reparaturen hoch. Allerdings klafft zwischen den veranschlagten
Mitteln, die für die Erhaltung der „Brücken und anderer Ingenieurbauwerke
der Bundesfernstraßen“ erforderlich wären, und den tatsächlich
dafür aufgewendeten
Beträgen seit Anfang
der achtziger Jahre eine Lücke von durchschnittlich 40 Prozent.
Zur Erhaltung der 1000 kommunalen
Brücken in Hamburg hatte die Baubehörde der Hansestadt für
das laufende Jahr rund 43 Millionen Mark angesetzt.
Bewilligt wurden aber nur
23 Millionen. „Der Fehlbetrag“, sagt Vielhaber von der BAM, „wird nach
vorne rausgeschoben. Den müssen unsere Kinder bezahlen.“
Das Aufwand-Schubverfahren
wird schon seit vielen Jahren angewendet. In Hamburg summiert sich der
Fehlbetrag zwischen Soll und Ist mittlerweile auf 180 Millionen Mark.
Einigkeit herrscht unterdes
bei den Kritikern der hemmungslosen Betongläubigkeit,
daß die „wissenschaftliche
Bauforschung in Deutschland stark unterbelichtet ist“, so Hartmut Pohl,
im BMFT bis Ende letzten Jahres für Sicherheitsfragen im Brückenbau
zuständig.
Licht in dieses Dunkelfeld
wollen nun Ingenieure der Bundesanstalt für Materialforschung mit
einem Versuch bringen, der in den nächsten Wochen
anlaufen soll.
In der großen BAM-Prüfhalle
in Berlin steht eine 18 Meter lange und 35 Tonnen schwere Fußgängerbrücke.
Sie war vom Auftraggeber, der Deutschen Bahn, nicht akzeptiert worden,
weil im Brückenträger haarfeine bis millimeterbreite Risse klafften.
Um die Auswirkung dieser
Schäden zu erforschen, soll die Brücke vergleichbaren Belastungen
ausgesetzt werden wie am vorgesehenen Standort. Den „Lastfall Sonnenbestrahlung“,
beschreibt BAM-Prüfer Vielhaber die Versuchsanordnung, „simulieren
wir mit der Einhausung eines Brückenabschnitts“:
Auf die Betondecke wird
auf einer Fläche von zehn Quadratmetern ein unten offener Holzkasten
gesetzt. Eingeblasene Heißluft erwärmt die Oberfläche auf
rund 60 Grad, eine Temperatur, wie sie im Hochsommer auf Fahrbahnabdeckungen
entsteht.
In einem zweiten Versuchsabschnitt
wird dann der „Lastfall Verkehr“ nachgestellt. Zwei servohydraulische
Prüfzylinder senken
sich auf die Betondecke und belasten die Brücke mit einem
Gewicht von je zehn Tonnen.
Die wechselnden Lastfälle von Wärme, Kälte und Druck werden
von Instrumenten erfaßt, die an den Rissen befestigt sind.
Mit diesem Versuch soll,
so Vielhaber, geklärt werden, ob Schrecks Begriff vom „Dauerbruchvorgang,
der sich durch Risse ankündigt“ und der aus der Flugzeugtechnik bekannt
ist, auch im Bauwesen greift.
Darüber, daß
Risse die Lebensdauer eines Bauwerks verkürzen, besteht unter den
Experten, soweit sie von der deutschen Beton-Lobby unabhängig sind,
kein Zweifel mehr.
„Selbstverständlich“
seien Brücken „ohne Risse zu bauen“, hatte auch das
Frankfurter Oberlandesgericht
in einer Mängelklage gegen eine Brückenbaufirma
befunden und festgestellt,
die Risse im Beton der Blasbachtalbrücke hätten „die auf 60 Jahre
angesetzte Lebensdauer der Brücke auf 2 bis 5 Jahre verringert“.
Für die Ewigkeit hatten
die Baumeister des Römischen Reiches die Brücken ihres
80 000 Kilometer langen
Straßennetzes konzipiert. Die ehrwürdigen Bauwerke wankten nicht
einmal, als im Zweiten Weltkrieg ganze Panzerregimenter über sie hinwegrasselten.
Von solchen zeitlichen Dimensionen
sind die deutschen Nachkriegsbauten offenbar weit entfernt. Immerhin: Eine
Lebenszeit von 100 Jahren müßten, so der Bonner Regierungsdirektor
Pohl, auch moderne Brückenkonstruktionen erreichen. Wenn aber, wie
es nun vielerorts geschieht, „Brücken abgerissen werden müssen,
weil sie den physikalischen Anforderungen nicht genügen“, so ist das
nach Pohls Auffassung „eine
ausgemachte Schlamperei“.
Deren Ausmaß ist aktenkundig.
Aus einer BMV-Dokumentation über „Schäden an Brücken und
anderen Ingenieurbauwerken“ geht hervor, daß „50 Prozent aller festgestellten
Schäden während der Bauausführung entstanden sind“.
*
Himmel hilf. Mit
steigenden Außentemperaturen im Sommer hatte niemand gerechnet. Wie
wir aus gut unterrichteten Kreisen erfahren haben, spielen deutsche Ingenieure
mit dem Gedanken, Greencarts für Regenmacher aus Schwarzafrika zu
beantragen:
Vier
Talbrücken der A 45 nicht tauglich für Hitze
WAZ
HAMM. Kühl müsste er sein, dann würde das Autobahnamt Hamm
mit weniger Sorge den Sommer erwarten. Denn: Vier Talbrücken an der
A 45 sind nicht mehr hitzefest.
Es
geht um die Hangbrücke Eisern bei Siegen (220 Meter lang/35 Meter
hoch/32 Jahre alt), die Talbrücke Lüdespert bei Drohlshagen (190/40/31),
die Brücke Sürenhagen bei Hagen (252/30/32), und die Talbrücke
Grotenbach bei Dortmund (175/15/28).
Das
Problem, wie es Amtsleiter Henneken erklärt: "Die Hitze setzt die
Bauwerke unter besondere Spannung. Zu große Erschütterung könnte
den Zustand schnell verschlechtern."
Überholverbote
und eventuell auch noch Tempolimits sollen die Brücke bis zur Sanierung
(ab Herbst) entlasten.
WAZ,
25. April 2000
*
Was ist nur aus
der Organisation Todt geworden?
ICE-Brücke
abgerissen
Eine neue
errichtete ICE-Brücke der Neubaustrecke Köln-Frankfurt mußte
abgerissen werden. Zum zweiten mal
in diesem Jahr.
Erst im Januar musste bei Raunheim eine Brücke neu gebaut werden.
Der Beton war nicht richtig gemischt worden.
az,
11. Juli 2000 S. 19
*
Dokumente des
Zeitgeschehens
Der Brückenbauer
Philipp Schreck und seine Frau Marianne schrieben zum deutschen Desaster
im Brückenbau am 10. Juli 2000 an den Bundespräsidenten Rau,
an Kanzler Schröder, an Bundestagspräsidenten Thierse und an
Frau Dr. Merkel diesen Brief:
Betr.:
a)
den "maroden Zustand der Bundesfernstraßen", die "westdeutschen Autobahnbrücken,
bei deren Sicherheit geschludert wurde", und "die Rettungsstrategie" des
Ministers Klimmt, Quelle: BMV, STERN vom 9. 3. 2000;
b)
die "vier Talbrücken der A 45, die hitzeuntauglich sind", Quelle:
Autobahnamt Hamm, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 25. 4. 2000;
c)
die "Autobahnbrücken, die zur Gefahr werden", Quelle: Österr.
Baubehörden, Neue Kronenzeitung vom 11. 5. 2000 (Anmerkung: Der "deutsche
Sonderweg" im Spannbetonbrückenbau wurde auch von Österreich
beschritten);
d)
die "10.000 Spannbetonbrücken in Deutschland, die marode sind'', weil
"bei ihrem Bau die Temperaturlastfälle nicht berücksichtigt wurden",
Quelle: Aussage eines Berliner Beamten vor laufender Kamera, SAT-l-Magezin
PLANETOPIA vom 25. 6. 2000
und
den
Plan des Bundesministers für Verkehr, das "gesamte Bundesfernstraßennetz
(Autobahnen, Bundesstraßen) schrittweise zu privatisieren und durch
Mautgebühren zu finanzieren", BILD vom 6. 7. 2000, desgleichen "Süddeutsche
Zeitung" vom selben Tage.
Sehr
geehrter Herr Bundespräsident,
sehr
geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr
geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr
geehrte Frau Dr. Merkel,
der
Plan von Verkehrsminister Klimmt ist nicht neu. Auch Minister Krause wollte
schon vor mehr als sieben Jahren das deutsche Fernstraßennetz an
Privatleute verkaufen. Graf Lambsdorff erklärte damals: "Der Staat
kann für die Finanzierung dieser Fernstraßen nicht mehr aufkommen".
Und
der Gewerkschaftler Fritz Steinkühler kommentierte: "Man kann die
Bonner Absicht nur als finanzpolitische Verzweiflungstat und verkehrstechnischen
Offenbarungseid bezeichnen." (Süddeutsche Zeitung München
vom 11. 2. 1993, Seite 1)
Die
beiden Herren hatten offenkundig keine Ahnung von den Besonderheiten der
deutschen Verkehrspolitik und wußten deshalb nicht, was Herrn Krause
bewegte.
Auf
dem Betontag 1981 hatte MinRat Standfuß, Leiter der Brückenbauabteilung
im BMV, erstmals öffentlich auf den bedrohlichen Zustand der deutschen
Spannbetonbrücken hingewiesen, allerdings ohne die Ursache, die vorsätzlich
erzeugten Risse in den Brücken, zu erwähnen. Für das Jahr
1983 wurde der Erhaltungsetat für die Bundesfernstraßen auf
2,21 Mrd. DM erhöht und 1986 auf mehr als 3 Mrd. pro Jahr (50 Mrd.
DM für den Zeitraum von 1986 bis 2000). Damit wollte die Regierung
Kohl die damals schon maroden Brücken der Reihe nach "erneuern" (Abriß
und Neubau), wofür die SS 80, eine Stahlhilfsbrücke, von der
Firma Krupp in mehreren Exemplaren gebaut und die "Rund-um-die-Uhr-Baustelle"
propagiert wurde.
Aus
der "Erhaltung von Straßenbrücken - Eine vordringliche Aufgabe
der Straßenbauverwaltung" - so lautete der Titel des Vortrags von
MinRat Standfuß - bzw. aus der "Erneuerung", auch "Sanierung durch
Ersatz" genannt, wurde nichts. Das veranlaßte Standfuß zu einem
weiteren, noch dramatischeren Vortrag am 4. 10. 1990 anläßlich
der Ausstellung "Berliner Brücken", in dem er "eine zu geringe Dotierung
des Erhaltungsetats" beklagte und eine "schwerwiegende Behinderung der
Wirtschaft" ankündigte.
Im
Januar 1992 zog Verkehrsminister Krause nach mit einem Hinweis auf den
"erkrankten Verkehrskörper, der saniert werden muß, damit wir
hinterher mit diesem Körper wieder geradeaus gehen können" -
in einem Vortrag in München, über den die Süddeutsche Zeitung
am 13. 1. 1992 berichtete.
Fünf
Monate später kündigte Krause das "Größte Straßenbauprogramm
der Nachkriegsgeschichte" an: 11.000 km neuer Straßen, vornehmlich
im Westen, zu erbauen in 15 Jahren (SPIEGEL vom 15. 6. 1992). Das waren
unverkennbar die Ersatztrassen (für den "erkrankten Verkehrskörper"),
die Professor König (langjähriger Risse-Reparatur-Spezialist
des BMV) bereits 1988 bei einem Vortrag in der Bundeswehr-Univer- sität
Neubiberg angekündigt hatte.
Doch
auch daraus wurde nichts, weil hierfür die 50 Mrd. (siehe oben) bei
weitem nicht gereicht hätten. Deshalb die Klage des Herrn Standfuß
über den "zu gering dotierten Erhaltungsetat", während er im
gleichen Atemzug erklärte, 50 Mrd. DM ensprächen dem Neuwert
aller Brücken an den Bundesfernstraßen.
Als
Minister Krause erkannt hatte, daß die Ersatztrassen nicht finanzierbar
waren, versuchte er den "erkrankten Verkehrskörper" an Privat zu verkaufen.
Als Kaufanreiz dienten Autobahngebühren, die gleichzeitig eingeführt
werden sollten.
Doch
die Käufer blieben aus. Deshalb wandte sich die Regierung Kohl wieder
dem ursprünglichen Plan zu. Noch 1993 legte der Verkehrsminister,
inzwischen Herr Wissmann, den Fünfjahresplan für den Ausbau der
Bundesfernstraßen vor, in dem gleich 12.500 km neuer Straßen
vorgesehen waren, nunmehr zu erbauen innerhalb von 5 Jahren. Daraus wurde
natürlich erst recht nichts.
Inzwischen
wurden die Brücken immer maroder. 1994 gab die Regierung Kohl bei
der BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und Materialprüfung)
in Berlin die Entwicklung von "Sicherungssystemen" in Auftrag, Einsturzwarnanlagen
für "10.000 Betonbrücken aus der Nachkriegszeit, deren Zustand
sich nach einer Studie des Bundesbauministeriums in immer kürzeren
Zeitintervallen verschlechtert, weshalb Experten Katastrophen befürchten".
("Sicherungssysteme - Computer überwachen baufällige Brücken",
Süddeutscher und Bayerischer Rundfunk, 11. 9. und 18. 12. 1994)
Es
wurde wieder nichts. Rein technisch wäre die Sache möglich gewesen,
sie scheiterte an der hohen Zahl der maroden Brücken und der Fülle
der Risse, denn für jeden von ihnen hätte man einen Computer
anordnen müssen, der den drohenden Einsturz rechtzeitig meldet (Auskunft
des Leiters des Labors "Messen unter schwierigen Bedingungen" der BAM).
Schon 1986 hatte der Deutsche Beton-Verein treuherzig erklärt, daß
"Risse aus sicherheitstheoretischen Überlegungen erwünscht seien,
weil sie durch Breiterwerden ein eventuelles Querschnittsversagen ankündigen",
d.h. den Einsturz (Merkblatt des Deutschen Beton-Vereins, Ausgabe April
1986, Seite 4). Die Herren des Beton-Vereins bedachten nicht, daß
auch die schönsten Risse als Einsturzindikatoren versagen, wenn keiner
ihr Breiterwerden bemerkt.
Als
die Sache mit dem Verkauf des "erkrankten Verkehrskörpers" schief
gelaufen war und sich die Regierung Kohl wieder auf die "Sanierung durch
Ersatz" bzw. den Bau der "Ersatztrassen" geworfen hatte, erschienen in
den Medien immer häufiger Berichte über den "bröselnden
Beton" und "die vorzeitig verschlissenen Brücken" etc., in denen viel
von den zu schweren Lastern, dem zu dichten Verkehr und dem tückischen
Tausalz die Rede war, kaum jedoch von den Rissen, die nach dem Willen der
Brücken-Mafia schon bei der Herstellung der Brücken erzeugt wurden.
Wie
man dabei vorgehen mußte, wußten die Baufirmen seit langem,
u.a. durch staatliche Forschungsaufträge aus den Jahren 1953 und 1973
über die risseerzeugende Wirkung der Temperaturlastfälle Abbindewärme
des Betons und Sonnenbestrahlung in dicken Betonquerschnitten bzw. bei
Verwendung des statischen Systems des Durchlaufträgers. Beim "deutschen
Sonderweg" im Spannbetonbrückenbau werden in der Regel beide Konstruktionsmerkmale
verwendet, insbesondere der Hohlkastenquerschnitt, der die höchsten
Temperaturdifferenzen aus der Abbindewärme des Betons erhält
und deshalb garantiert 1 bis 2 Tage nach dem Betonieren reißt. Das
ist seit 1953 Stand des Wissens. Ganz unterschlagen wurde in allen Medienberichten
die Tatsache, daß alle Spannbetonbrücken nach dem "deutschen
Sonderweg" vorschriftswidrig sind, denn die Spannbetonvorschrift DIN 4227
fordert seit ihrer Erstausgabe im Jahre 1953 ein dauerhaft rissefreies
Bauwerk; bei der statischen Berechnung sind auch die Zugspannungen aus
den Temperaturbeanspruchungen nachzuweisen, damit Risse aus diesen Spannungen
ausgeschlossen werden. Dieser Nachweis hätte - wenn er bei den Brücken
nach dem "deutschen Sonderweg" geführt worden wäre - stets ergeben,
daß schon bei der Herstellung mit Sicherheit Risse aus ungleich entweichender
Abbindewärme auftreten. Deshalb wurde er nie geführt.
Bis
1975 gelang es der Brücken-Mafia, die Risse weitgehend geheimzuhalten.
Dann erklärte sie, die Risse in ihren Brücken seien unschädlich,
weil man sie mit schlaffer Bewehrung dauerhaft auf eine unschädliche
Breite beschränken könne. Das war 12 Jahre, nachdem ich mit meinem
Aufsatz "Risse im Spannbeton und deren Ursachen" (Die Bautechnik, Heft
8/1963) nachgewiesen hatte, daß mit den Bauweisen des "deutschen
Sonderwegs" der Spannbeton nicht erfindungsgemäß und damit auch
nicht vorschriftsgerecht angewandt werden kann.
Den
Forschungsauftrag des BMV, der dies schon 1953 ergeben hatte, kannte ich
damals noch nicht. Er war vor der Fachwelt geheimgehalten worden (R. Bührer,
Eisenbahnbrücken aus Spannbeton, Heft 112/ 1953 Deutscher Ausschuß
für Stehlbeton).
Mit
den Medienberichten über den zunehmenden Verfall der Brücken
bei gleichzeitiger Ausblendung der wirklichen Ursachen sollte die Bevölkerung
auf den Bau der Ersatztrassen bzw. die "Erneuerung" der Brücken bei
laufendem Verkehr vorbereitet werden. Exemplarisch ist hierfür ein
Bericht in der ZEIT vom 16. 7. 1993 unter dem Titel "Achtung, Baustelle!".
In ihm wird Landesbaudirektor Beck vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe
mit der Aussage zitiert, die Deutschen sollten Baustellen als Bestandteil
der Autobahn begreifen, "insbesondere, weil jetzt auch die ganzen Talbrücken
erneuert werden müssen".
Die
sogennante freie Presse war inzwischen längst von der Politik unterwandert
worden, so daß diese die Berichterstattung im vorliegenden Fall nach
Belieben steuern konnte. In der Süddeutschen Zeitung vom 30./31. 1.
1993 heißt es hierzu in einem Beitrag mit dem Titel "Vor sechzig
Jahren" (Seite 13): "Die politischen Parteien haben unteressen so gut wie
alle wichtigen Entscheidungsebenen in Gesellschaft und Staat unter ihre
Kontrolle gebracht."
In
der Süddeutschen Zeitung übt diese Kontrolle derzeit Dr. R.M.
Gohlke aus, vormals zuständig für die Vergabe von Bauaufträgen
für die Bundesbahn und wesentlich dafür verantwortlich, daß
alle Spannbetonbrücken an den ICE-Strecken mit dem Hohlkastenquerschnitt
ausgeführt wurden, dem sichersten Garanten für die Entstehung
von Rissen aus der Abbindewärme des Betons. Ich konnte seinerzeit
mit eigenen Augen beobachten, wie die Abgesandten der Brücken-Mafia
um Herrn Gohlke herumtanzten wie um das goldene Kalb, was dann auch den
gewünschten Erfolg hatte. Inzwischen haben die Risse in den ICE-Brücken
solche Verformungen bewirkt, daß die Züge die Gleise auf den
Brücken in Schwingungen versetzen, wie am 16. 2. 1999 mehrere Zeitungen,
darunter die "Frankfurter Rundschau" und die "Hannoversche Allgemeine"
meldeten.
Die
Bahn AG nannte als Gründe Probleme mit dem Schotterbett bzw. gab an,
man habe die Beanspruchungen durch die Züge erheblich unterschätzt.
Einige Jahre vorher war die Bundesbahn privatisiert worden. Dazu hatte
wohl auch die Erkenntnis beigetragen, daß der mit den Rissen ausgelöste
Dauerbruchvorgang in den ICE-Brücken wesentlich schneller vor sich
geht als in Straßenbrücken, weil dessen Geschwindigkeit nicht
nur abhängig ist von der Zahl der verkehrsbedingten Lastwechsel, sondern
auch von der Schwere der Fahrzeuge, die diese erzeugen. Denn jeder Lastwechsel
- auch die durch Sonnenbestrahlung verursachten - bewirken eine Verbreiterung
der Risse und läßt sie im Laufe der Zeit immer größer
werden. Dies ist u.a. dokumentiert in der Risse-Reparatur-Verordnung des
BMV, ZTV-Riß 88, Seite 7 und 13.
Auch
wenn der Bund noch immer die Aktien-Mehrheit an der Bahn AG hält,
so wird doch diese allein zur Verantwortung gezogen werden, wenn es zu
einem Brückeneinsturz kommen sollte, oder zu einem Entgleisen von
Zügen infolge der zunehmenden Verformungen der Brückenträger.
Mitte der 90er Jahre war Schluß mit den Berichten über den "bröckelnden
Beton" und die "vorzeitig verschlissenen Spannbetonbrücken". Die Regierung
Kohl hatte den Kampf gegen die Risse aufgegeben. 1995 erschien der "Zweite
Bericht über Schäden an Bauwerken der Bundesverkehrswege",
in dem auf Seite 34 mitgeteilt wird: "Für Brücken mehren sich
die Fälle, in denen Fahrverbote bzw. gewichtsbeschränkende Beschilderungen
angeordnet werden müssen, um die Verkehrs- und Standsicherheit (Sicherheit
gegen Einsturz) zu gewährleisten."
Weiter
oben wird mitgeteilt, daß die "Anpassung an die gestiegenen Belastungen
viele Jahre und erhebliche Geldmittel beanspruchen (werde)", und daß
dies "bei Brücken nur in Sonderfällen möglich sei". Das
heißt im Klartext: Brücken müssen abgerissen werden. Zur
Begründung wird außer den "gestiegenen Belastungen", die für
eine vorschriftsgerechte, rissefreie Spannbetonbrücke ohne jede Bedeutung
wären, die Lüge aufgetischt, deutsche Brücken seien bis
Anfang der 60 er Jahre nach den alten Belastungsverschriften der 30er Jahre
gebaut worden.
Tatsächlich
aber wurde die Brücklasse 60 (t) bereits im Juni 1952 eingeführt,
als man gerade mit dem Spannbetonbrückenbau begonnen hatte. Das zulässige
Gesamtgewicht der Laster beträgt derzeit 44 t.
Der
Verkehrsminister (Wissmann) mußte seine Behauptung zurücknehmen.
Er entschuldigte sie mit einem Druckfehler. Weitere Erklärungen gab
er nicht ab.
Der
freien deutschen Presse wurde nun von ihren politischen Aufsehern striktes
Schweigen verordnet, das nur gelegentlich eine Provinzzeitung zu durchbrechen
wagte, wie am 23. 6. 1998 die Mainpost in Würzburg. Sie brachte ein
Bild der Mainbrücke Dettelbach mit der Unterschrift: "Tempo 80,
150 Meter Abstand halten, Überholverbot und eine Einengung der Fahrbahn".
Ein
Bild, das sich dem Autofahrer nicht nur hier auf der Dettelbacher Mainbrücke
auf der A3 bietet, sondern bayern- und bundesweit immer häufiger vor
Betonbrücken zu sehen ist. Der Grund: Bauschäden."
Die
Mainbrücke Dettelbach wurde inzwischen zur "Erneuerung" ausgeschrieben.
Sie erreichte, wie die Mainbrücke Bettingen, die seit zwei Jahren
"erneuert" wird, ein Lebensalter von rund 35 Jahren.
Die
politischen Parteien verlegten sich aufs Lügen und Täuschen und
notfalls auch die Darstellung der "heilen deutschen Brückenwelt",
wie z.B. auf drei parlamentarische Anfragen der Gruppe der PDS zum Thema
Spannbetonbrücken in den Jahren 1996 und 1997.
Anschließend
wurde die PDS "ruhiggestellt", d.h. auch an den Tropf gehängt, der
aus den abgesprochenen, überhöhten Baupreisen gespeist wird.
In
den letzten Jahren geschah dies weniger über Brücken-Neubauten,
sondern über die immens teuren "Verstärkungen" und "Ertüchtigungen"
(Einbau zusätzlicher Spannglieder) baufälliger Brücken,
die nicht von den Verursachern, der Brücken-Mafia, bezahlt werden
müssen, sondern von den Bürgern, die damit jährlich um dreistellige
Millionensummen betrogen werden.
Das
Polit-System und die Brücken-Mafia igelten sich ein, verbarrikadierten
sich im "Führerbunker" und flüchteten vor der Realität.
Hierzu gibt es eine bezeichnende Geschichte. Einige Jahre, nachdem die
BAM mit der Entwicklung der "Sicherungssysteme" beauftragt worden war,
plante diese einen sogenannten Dauerversuch an einem 18 m langen Brückenträger,
der für diesen Zweck von Markt-Oberdorf im Allgäu nach Berlin
geschafft worden war. Mit diesem Versuch hätte man ermitteln können,
in welchem Zeitraum der Dauerbruchvorgang, der mit den Rissen ausgelöst
wird, abläuft. Doch genau dies sollte nicht bekannt werden. Das Wirtschaftsministerium,
dem die BAM unterstellt ist, ordnete die Zerstörung des Brückenträgers
an, bevor der Versuch stattfinden konnte (s. SPIEGEL Nr. 34/1995, S. 142,
"Ein
gewisses Gottvertrauen").
Zuletzt
ließen Sie sich, meine Herren, - Sie, Frau Dr. Merkel, wußten
davon vermutlich nichts - am 19. 11. 1999 vom Verkehrsministerium bestätigen,
daß die deutschen Spannbetonbrücken im wesentlichen alle ohne
Fehl und Tadel seien. Dies wurde auch mir über den Petitionsausschuß
mitgeteilt, den ich gar nicht angerufen hatte, und der die "Ausführungen
der Fachbehörde sehr überzeugend" fand. Dann aber änderte
sich die Situation schlagartig, und zwar offenkundig auf Initiative derselben
Baubehörden hin, bei denen Sie, bzw. das deutsche Polit-System immer
die Lügen anforderten, mit denen Sie bzw. das deutsche Polit-System
Ihre bzw. seine Untätigkeit im vorliegenden Fall zu rechtfertigen
pflegen.
Die
Baubehörden hatten schon ab Anfang der 70er Jahre den "deutschen Sonderweg"
mit zunehmender Sorge betrachtet.
1973
durchbrach Hans Pfohl von der BAST (Bundesanstalt für Straßenwesen,
dem BMV zugehörig) die omertà mit einem Beitrag über "Risse
an Koppelfugen von Spannbetonbrücken", Mitteilungen Institut für
Bautechnik, Heft 6/1973. Koppelfugen gibt es nur an Brücken nach dem
"deutschen Sonderweg". Weitere Versuche, diesen zu beenden, folgten, wie
z.B. der Blasbachtalbrückenprozeß, mit dem die Baubehörden
die Firmen der Brücken-Mafia in eine Falle lockten.
Am
27. 5. 1981 verurteilte das OLG Frankfurt die Arge Blasbachtalbrücke
zur Zahlung aller Folgekosten der Risse. Im Urteil steht der bemerkenswerte
Satz: "Selbstverständlich sind die Vertragsparteien davon ausgegangen,
daß die Beklagten eine Brücke ohne Risse erstellen."
(OLG Frankfurt, AZ 17 U 82/80, BGH)
Doch
der Widerstand der Baubehörden war immer nur halbherzig und deshalb
unwirksam. Das lag vor allem auch daran, daß sie selbst Bestandteil
der Brücken-Mafia und in ihrer Kommando-Zentrale, dem Deutschen Ausschuß
für Stahlbeton, zu einem Drittel vertreten waren. Sie waren es ja,
die jahrzehntelang nur vorschriftswidrige Spannbetonbrücken ausgeschrieben
und vorschriftsgerechte 1976 mit behördlichen Verordnungen verboten
hatten. Erst zu Beginn dieses Jahres wagten es Vertreter der Baubehörden,
die Dinge deutlicher auszusprechen. Das hat seinen Grund wohl weniger darin,
daß sich deren moralische Substanz inzwischen entscheidend verbessert
hat, sondern darin, daß immer mehr Brücken akut einsturzgefährdet
sind, und die Baubeamten wissen: Wann immer es zu einer Katastrophe kommen
wird, das Polit-System wird keine Sekunde zögern, ihnen die alleinige
Schuid in die Schuhe zu schieben.
In
Anbetracht dessen, wie vorsichtig die Baubehörden in den vergangenen
Jahrzehnten taktierten, ist das, was sie jetzt offen aussprechen, geradezu
sensationell. Am deutlichsten wurde der Beamte, der in der Sendung "Planetopia"
am 25. 6. 2000. so unumwunden zugab, daß beim Bau der deutschen Spannbetonbrücken
stets die Temperaturlastfälle mißachtet wurden, wobei er einen
Wert nannte, der aus einem meiner Aufsätze stammt. Deren Veröffentlichung
wird zwar seit rund 20 Jahren durch die Zensur der Fachpresse verhindert,
doch kursieren sie in Fach-, insbesonde- re in Behördenkreisen. An
dieser Stelle ist ein kleiner Rückblick nötig.
Mitte
der 80er Jahre stellte ich Antrag auf Präzisierung der Ziff. 6.8 der
Spannbetonvorschrift DIN 4227-1, dergestalt, daß ihre stets praktizierte
Mißachtung in Zukunft nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Ziff. 6.8 der DIN 4227-1 fordert, daß "geeignete Maßnahmen
zu ergreifen sind, wenn die Gefahr besteht, daß die Hydratationswärme
(= Abbindewärme, P.S.) des Zements in dicken Betonteilen zu Rissen
führt". Diese Forderung kann bei Brücken nach dem "deutschen
Sonderweg" mit keiner "Maßnahme" eingehalten werden.
Mein
Antrag wurde in der 4. und letzten Instanz, dem Schiedsverfahren, am 12.
7. 1989 einstimmig angenommen. Das Schiedsgremium beauftragte mich mit
der Neuformulierung der Ziff. 6.8. Als diese - gebilligt vom Schiedsgremium
- Anfang 1991 vorlag, würgten Deutscher Ausschuß für Stahlbeton
und Normenausschuß Bau die beschlossene Normenänderung kurzerhand
ab, was einen eklatanten Verstoß gegen die Allgemeine DIN-Norm 820
darstellte. Sie wußten natürlich, daß diese Normenänderung
gleichbedeutend mit dem Ende des Baus gerissener Spannbetonbrücken
gewesen wäre. In den dem Schiedsverfahren vorausgehenden Verhandlungen
hatten die Vertreter der Normenseite, allesamt zuverlässige Mitglieder
der Brücken-Mafia, ungeniert erklärt, daß sie nur gerissene
Spannbetonbrücken wollten, u.a. die Herren Professoren Goffin, Landesbauverwaltung
Nordrhein-Westfalen, Jungwirth, Firma Dyckerhoff & Widmann, und Falkner,
TU Braunscheig. Besonders interessant war der Einwand von Professor Zerna,
Universität Bochum, daß man "die Ergebnisse der Physik doch
nicht in eine Bauvorschrift aufnehmen (könne)".
Im
Jahre 1972 promovierte Dipl.-Ing. Horst Schultz am Lehrstuhl Zerna mit
einem "Beitrag zur Berechnung von Temperaturverteilung und Temperaturspannungen
bei Reaktordruckbehältern". In seiner Dissertation wurden "die Ergebnisse
der Physik" durchaus berücksichtigt. Doch was für den Doktorvater
Zerna selbstverständlich war, galt nicht für das Mitglied Zerna
des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, weil er wußte, daß
die Aufnahme der "Ergebnisse der Physik" in die Spannbetonvorschrift die
Brücken-Mafia erledigt hätte.
Ziemlich
genau siebeneinhalb Jahre nach dem ersten Versuch, das deutsche Fernstraßennetz
zu privatisieren, wird diese "Endlösung" für den "erkrankten
Verkehrskörper" von neuem angestrebt, wobei dieser inzwischen in den
letzten Zügen liegt. Es ist kaum anzunehmen, daß deutsche Anleger
Herrn Klimmt auf den Leim gehen. Sie hatten den Braten schon 1993 gerochen.
Doch steht zu befürchten, daß sich ausländische Geldgeber
finden, die nichtsahnend und gutgläubig in das Geschäft mit dem
moribunden Verkehrskörper bzw. den maroden Spannbetonbrücken
einsteigen. Wenn Herr Klimmt ein Ehrenmann ist, dann muß er vor der
Privatisierung der deutschen Fernstraßen folgende Fakten öffentlich
bekanntgeben:
1.
Alle deutschen Spannbetonbrücken wurden - von ganz wenigen Ausnahmen
abgesehen - vorschriftswidrig gebaut. Sie erlitten deshalb schon bei der
Herstellung Risse, die ihre Lebensdauer auf wenige Jahrzehnte verkürzen.
Nach Angabe ihrer Erbauer liegt diese Lebensdauer zwischen "ca. 50 Jahren"
und "30 Jahren, in Einzelfällen auch weniger" im Tausalzbereich.
2.
Informationen über Anzahl und Breite der Risse sowie ihr kontinuierliches
Größerwerden, die sogenannten Brückendaten, werden vom
deutschen Bundesministerium für Verkehr unter Verschluß gehalten
und sind der breiteren deutschen Fachwelt unbekannt. Diese Geheimhaltung
wurde 1986 in einem vom deutschen Bundesminister für Forschung und
Technologie herausgegebenen Buch öffentlich gefordert: König
u.a.; Spannbeton-Bewährung im Brückenbau, BMFT-Risiko- und Sicherheitsforschung,
Seite 43 und 45. "Unbefugte", so heißt es hier, "dürfen keinen
Zugriff zu den Daten haben".
3.
Die Risse in den Brücken müssen regelmäßig von Brücken-Prüftrupps
kontrolliert und ihr Größerwerden registriert werden. Wie dies
zu geschehen hat, ist in der Risse-Reparatur-Verordnung ZTV-Riß 88,
Tabelle Seite 7 festgelegt.
4.
Um die Brücken auf ihre "übliche Lebens- und Benutzungsdauer"
von 50, bzw. 30 Jahre oder auch weniger zu bringen, müssen die Risse
"saniert" werden (Verpressen mit Epoxidharz), bei fortgeschrittener Baufälligkeit
der Brücken wird die "Ertüchtigung" bzw. "Verstärkung" notwendig
(Einbau zusätzlicher Spannglieder), was in der Regel fast doppelt
soviel kostet wie der Neubau.
5.
Katastrophen beim unvorhersehbaren Ende des durch die Risse ausgelösten
Dauerbruchvorgangs sind nicht auszuschließen, wobei dann "in Verbindung
mit dem Kostenmodell eine Quantifizierung von Menschenleben impliziert
ist" ("Risikostudie Talbrücken, BMFT 1984, Teil A, Seite 9.18). Ferner
heißt es in dieser Studie, a.a.O.: "Dies ist eine Problematik, die
bekannt ist, sich aber nicht umgehen läßt." Für die Spannbetonbrücken
nach dem "deutschen Sonderweg" trifft diese Aussage zu.
Wenn
Herr Klimmt diese Tatsachen bekanntgibt, wird er keinen Käufer für
das deutsche Fernstraßennetz finden, weil jeder sofort erkennt, daß
das feilgebotene Objekt nicht nur wertlos ist, sondern er damit auch eine
Verantwortung übernimmt, der er gar nicht gerecht werden kann. Daraus
folgert, daß der Bundesminister für Verkehr, wenn er das deutsche
Fernstraßennetz veräußern will, sich verhalten muß
wie ein Roßtäuscher und Trickbetrüger oder
ein unseriöser Gebrauchtwagenhändler, der ein Auto verkauft,
von dem er ganz genau weiß, daß es nach wenigen Kilometern
den Geist aufgibt und nur noch Schrottwert hat. Die maroden Brücken
an den deutschen Fernstraßen aber haben nicht einmal Schrottwert,
weil Beton nicht recycelbar ist. Dafür ist die Entsorgung, der sogenannte
"Rückbau", umso kostspieliger.
Die
in seinem Ministerium unter Verschluß gehaltenen "Brückendaten"
müßte Herr Klimmt dann vorsorglich verschwinden oder löschen
lassen, wie dies vor knapp zwei Jahren im Bundeskanzleramt praktiziert
wurde.
Den
Bankrott, vor dem der Bundesminister für Verkehr jetzt steht, hat
das deutsche Polit-System wissentlich herbeigeführt, indem es über
einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten mit einer kriminellen Vereinigung,
der Brücken-Mafia paktierte, die ihr bei der illegalen Geldbeschaffung
über Bauaufträge behilflich war. Um sich der Brücken-Mafia
gefällig zu zeigen, setzte das deutsche Polit-System den Rechtsstaat
und die Regeln der Demokratie außer Kraft, neben der Geheimhaltung
der "Brückendaten" die Befreiung der Brücken-Mafia von jeglicher
Haftung für die Folgen der Risse. Hinzu kam eine fortgesetzte Strafvereitelung
- Staatsanwälten wurde verboten, gegen die Brücken-Mafia vorzugehen
- und die Weigerung, eine Klage vor Gericht zuzulassen, wenn Verdacht auf
Ausschreibungs- oder Vergabebetrug besteht. Die EG-Richtlinie, die seit
langem auch bei Aufträgen der öffentlichen Hand den Zugang zu
den Gerichten fordert, wurde bis jetzt nicht eingeführt. Schließlich
brachten die politischen Parteien Deutschlands auch die Medien unter ihre
Kontrolle, was die Süddeutsche Zeitung schon 1993 beklagte (s. oben)
und konnten dadurch die Berichterstattung über die deutschen Spannbetonbrücken
nach Belieben steuern.
Abschließend
möchte ich Ihnen noch einmal vor Augen führen, auf welchem Niveau
sich die Leute bewegen, mit denen Sie und das gesamte deutsche Polit-System
sich eingelassen haben. Dies betrifft vor allem Sie, Frau Dr. Merkel, weil
Sie als Naturwissenschaftlerin in besonderer Weise ermessen können,
wie schamlos und plump die Agenten der Brücken-Mafia vorgingen. Als
Beispiel wähle ich Professor Gert König, den langjährigen
Risse-Reparatur-Spezialisten des Bundesverkehrsministeri- ums, den Mann
fürs Grobe, der jede "wissenschaftliche Erkenntnis" lieferte, die
bei ihm bestellt wurde.
1973/1976:
König soll im Auftrag des BMV "nachweisen", daß der Lastfall
Sonnenbestrahlung auch in einer Brücke nach dem "deutschen Sonderweg"
keine Risse erzeugen kann. Er und sein Doktorand Zichner manipulieren die
Temperaturdifferenz aus Sonnenbestrahlung von 33°C, die seit 1965 Stand
des Wissens ist, auf 5°C herunter. Dann stellt sich heraus, daß
die hieraus resultierenden Zugspannungen zusammen mit den lastabhängigen
Spannungen (Eigengewicht und Verkehr) genügen, um Risse zu erzeugen.
König/Zichner geben zu, daß aufgrund dieses Ergebnisses "die
meisten Brücken in ihrer ausgeführten Konzeption nicht mehr möglich
wären". Der angebliche Forschungsauftrag wird zunächst zurückgehalten,
um der Brücken-Mafia Gelegenheit zu geben, auf dem Betontag 1975 die
Falschlehre vom "unvermeidlichen aber unschädlichen Riß im Spannbeton"
in die Welt zu setzen. Ein Jahr später erscheint dann die König/Zichner
Arbeit. Sie schließt mit der überraschenden "Erkenntnis": "Außerdem
ist darauf hinzuweisen, daß die aus Temperaturdifferenzen resultierenden
Beanspruchungen nicht für die Sicherheit des Bauwerks von Bedeutung
sind, da sie sich nach Auftreten von Rissen sehr schnell abbauen..." (Zichner,
Temperaturunterschied infolge Witterungseinfluß, Forschung Straßenbau
und Straßenverkehrstechnik Heft 212/1976, herausgegeben vom Bundesminister
für Verkehr, S. 44).
1978:
König wird alleiniger Sachverständiger in dem bereits erwähnten
Blasbachtalbrückenprozeß. In Übereinstimmung mit der im
Auftrag des BMV klagenden hessischen Landesbauverwaltung definiert er Risse
als "Mängel, die den Korrosionsschutz der Spannbewehrung aufheben
und schließlich den Einsturz der Brücke herbeiführen".
Im übrigen behauptet König, das Problem der Risse im Spannbeton
sei erst vor einigen Jahren aufgetaucht, und die Untersuchungen hierüber
noch nicht abgeschlossen, doch habe man das Probleme inzwischen durch verschärfte
Vorschriften (zusätzliche schlaffe Bewehrung) im Griff.
Damit
unterschlägt König den gesamten Stand des Wissens über das
Risseproblem im Spannbeton seit 1953. (Urteil des OLG Frankfurt vom 27.
5. 1981, AZ 17 U 82/80, BGH)
1984:
Im Februar 1984 erscheint die "Risikostudie Talbrücken" in
einem Vorabdruck. Auftraggeber ist das Bundesministerium für Forschung
und Technologie in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium, das die
Schadensdaten liefert. Auftragnehmer ist Professor König. In Teil
A, Seite 5.18, heißt es: "Typische Dauerhaftigkeitsschäden,
die die Lebensdauer verringern, sind Risse und 'Materialumwandlungen'.
bei Stahl Korrosionen." Der Datenteil C, der allein Aufschluß geben
kann über Anzahl und Größe der "typischen Dauerhaftigkeitsschäden
Risse", ist chiffriert.
Nachdem
mir die Dechiffrierung gelungen war, wird die "Risikostudie Talbrücken"
sofort aus dem Verkehr gezogen.
1986:
Statt der "Risikostudie Talbrücken" erscheint das Buch "Spannbeton:
Bewährung im Brückenbau" in der Reihe "BMFT-Risiko- und Sicherheitsforschung".
Hauptautor ist König. Auf Seite 295 heißt es: "Risse im Beton
stellen nicht generell Mängel dar." Eine Unterscheidung zwischen Spannbeton
= Beton missefreier Beton im Zustand I, und Stahlbeton = Beton im Zustand
II, gerissener Beton, wird nicht vorgenommen.
Auf
Seite 131 gibt nach Professor Leonhardt im Jahre 1979 auch König zu,
daß es eine Beschränkung der Rißbreiten durch schlaffe
Bewehrung nicht gibt. Damit widerlegt König die Behauptung, Risse
im Spannbeton seien unschädlich, weil man sie mit schlaffer Bewehrung
dauerhaft auf eine unschädliche Breite beschränken könne.
Mit dieser Behauptung wird seit 1975 der Bau vorschriftswidriger und deshalb
gerissener Spannbetonbrücken durch die Brücken-Mafia gerechtfertigt.
Auf Seite 43 und 45 ruft König - wie bereits mitgeteilt - zur strikten
Geheimhaltung der "Brückendaten" auf, die dem Zugriff "Unbefugter"
zu entziehen seien.
"Unbefugt"
sind nach der Vorstellung Königs alle Fachleute, die nicht der Brücken-Mafia
angehören.
Anfang
der 90er Jahre: Die Brücken-Mafia schickt König nach Paris. Dort
soll er durchsetzen, daß beim Euro-Code auf die Ermittlung von Spannungen
in der statischen Berechnung verzichtet wird. Dies lehnen die nicht-deutschen
Vertreter im Euro-Code ab. König wird mit der Auflage heimgeschickt,
beim nächsten Mal die zulässigen Spannungen vorzulegen, wie mir
ein französischer Kollege berichtete. Einige Zeit später beendet
König seine Tätigkeit für die Brücken-Mafia und geht
an die Universität Leipzig. Wie bereits mitgeteilt, sind die statischen
Berechnungen für Brücken nach dem "deutschen Sonderweg" allesamt
falsch, weil die aus den Temperaturlastfällen resultierenden Zugspannungen
nicht berücksichtigt werden. Deshalb gab der Normenausschuß
Bau 1984 die Vornorm DIN 4227-2 heraus, nach der die Spannungen nicht mehr
ermittelt werden mußten. Die bisherige DIN 4277 wurde zur DIN 4227-1.
1987 gestattete das BMV die Anwendung der Vornorm DIN 4227-2 für den
Bau der Mainbrücke Stockstadt, einer Takt-Schiebe-Brücke. Beim
vorletzten Schiebe-Vorgang stürzte im August 1988 die Brücke
in den Main. Es gab einen Toten und sieben, z.T. Schwerverletzte. Die Schiffahrt
auf dem Main war monatelang unterbrochen. Dies hinderte die Brücken-Mafia
und König nicht daran, wenige Jahre später beim Euro-Code erneut
zu versuchen, die Ermittlung von Spannungen zu eliminieren. So viel zur
wissenschaftlichen Qualität der kriminellen Vereinigung, über
die Sie derzeit noch immer Ihre Hand halten.
Sehr
geehrte Herren, sehr geehrte Frau Dr. Merkel, ich kann Sie nicht daran
hindern, weiterhin das Volk zu belügen und die ganze Welt zu täuschen.
Ich kann Ihnen aber versichern, daß Sie damit nicht mehr weit kommen
werden, weil das Verhängnis, das mit dem "deutschen Sonderweg" heraufbeschworen
wurde, unaufhaltsam ist. Warum Sie so töricht waren, in den kriminellen
Deal einzusteigen, obwohl dieser bereits - deutlich erkennbar - in den
letzten Zügen liegt, weiß ich nicht. Selbst in der Wolle gefärbte
Nazis witterten gegen Ende des Krieges den fatalen Ausgang des Unternehmens
"Tausendjähriges Reich" und versuchten durch Distanzierung von ihrem
"Führer" noch schnell den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ihnen aber
scheint eine solche Witterung nicht gegeben zu sein. Sonst hätten
Sie schon längst den Pakt mit der Brücken-Mafia aufgekündigt,
den Mitglieder Ihrer Parteien schlossen, lange bevor Sie politische
Verantwortung und damit das unselige Erbe übernahmen. Derzeit scheinen
Sie eher entschlossen zu sein, den Marsch ins Verderben fortzusetzen, bis
alles in Scherben fällt und Deutschland vor aller Welt am Pranger
steht als eine Nation, die offensichtlich unfähig ist zur Demokratie.
Derzeit
fungieren Sie als nachgeborene executioners bei Hitlers Nero-Befehlen.
Damals konnten die Sprengsätze in den Brücken in vielen Fällen
noch in letzter Minute entschärft werden, von mutigen Männern
unter Einsatz ihres Lebens. Die Sprengsätze in den deutschen Spannbetonbrücken,
die vorsätzlich erzeugten Risse, können nicht mehr ausgebaut
werden. Sie bringen sich selbst zur Zündung. Doch könnten Sie,
wenn Sie sich jetzt endlich der Wahrheit stellen, immerhin verhindern,
daß dabei Menschen zu Schaden kommen, daß die "abrupte Lebensdauerverringung"
eintritt mit "der Quantifizierung von Menschenleben", wie es in
der Sprache der Brücken-Mafia heißt.
Wenn
Sie aber zulassen, daß Herr Klimmt jetzt das deutsche Fernstraßennetz
privatisiert, d.h. die Verantwortung an Leute delegiert, denen er die Wahrheit
verschweigt, verschweigen muß, wenn er den schwer erkrankten Verkehrskörper
mit den maroden Brücken an den Mann bringen will, dann wird es zu
Katastrophen kommen, die unvorstellbar sind. "Zwei Arten von Bauwerken
hat die Menschheit immer für die Ewigkeit gebaut: die Tempel und die
Brücken", so sagte der amerikanische Ingenieur Arvid Grant bei
der 50-Jahr-Feier der Golden Gate Bridge. Unmittelbar nach der größten
Katastrophe unserer Geschichte machte sich eine kriminelle Vereinigung
daran, Brücken mit Sollbruchstellen zu bauen, damit sie möglichst
bald baufällig werden. Und die Hüter von Rechtsstaat und Demokratie
in diesem unserem Lande gaben hierzu Schützenhilfe und tun es immer
noch. Sie sind derzeit die obersten Befehlshaber dieser parlementarischen
Schutztruppe für eine Gaunerbande, wie sie die Welt noch nicht gesehen
hat. Es liegt jetzt in Ihrer Hand, wie Sie in die Geschichte eingehen werden,
als Retter der Nation oder als Hochverräter.
Mit
Hochachtung erst wieder,
wenn
Sie sich auf Ihre Pflichten
als
Volksvertreter besinnen
Philipp
Schreck
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*
Elf Jahre nach dem
Erscheinen des Kapitels über das deutsche Desaster beim Brückenbau
in dem Buch "Das Galilei Syndrom" trauen sich die Stuttgarter wieder aus
den Löchern. Sier wollen noch immer Brücken bauen, die vielleicht
schöner (darüber ließe sich streiten), auf alle Fälle
aber brüchiger sind:
Die Königsdisziplin
der Ingenieure wird verachtet
Was dem Fahrgast im ICE 3 vorenthalten
wird:
Der Niedergang der Brückenbaukunst
Die neue ICE-Verbindung zwischen Frankfurt
am Main und
Köln, die heute regulär in Betrieb
genommen wird, demonstriert auch einen Systemvergleich. Die Streckenführung
erfolgt weitgehend - darauf hat der Bund bestanden - parallel zur Autobahn
A 3, und das nicht nur, um das
Planfeststellungsverfahren zu erleichtern,
Technik und
Geräuschbelastung zu bündeln.
Zugleich werden den
motorisierten Zeitgenossen damit die Vorzüge
des schnelleren
Verkehrsmittels und die Argumente zum
Umsteigen unmittelbar
vor Augen geführt: Selbst Porsche-Piloten
müssen leiden, der
Zug verbannt sie auf die Kriechspur. Der
Autofahrer aber sieht
nicht nur den ICE 3 und dessen Rücklichter,
er erfährt auch,
was dem Bahnkunden vorenthalten bleibt:
Wie die neue Strecke eine der schönsten Autobahntrassen mit einer
Art Sperrmauer versieht und, von Lärmschutzwällen und -wänden
eingefaßt, das Landschaftsbild zerschneidet. Zumal ihre Brücken,
insgesamt gibt es achtzehn große, die über Täler und Flüsse
führen, nehmen wenig Rücksicht auf die Topographie.
Wie neue Brücken auszusehen haben,
ist in den
Rahmenplanungen der Deutschen Bahn AG
in allen Einzelheiten festgelegt: Nur keine Experimente, alles Standard.
Allein niedrige Kosten sowie, als wäre das nicht selbstverständlich,
Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Dauerhaftigkeit zählen hier,
aber nicht eine ästhetische Gestaltung, die die Landschaft respektiert
und auf die Besonderheiten des Ortes eingeht: So wurden die Brücken,
bei geringen Variationen, alle nach dem gleichen, schon bei den bisherigen
Schnellstrecken erprobten Muster errichtet und aus vierundvierzig Meter
langen Einfeldträgern zusammengesetzt. Die hohe Kunst des Brückenbaus,
Königsdisziplin der Ingenieure, ist nicht gefragt.
Das Erscheinungsbild ist entsprechend:
monoton, plump,
langweilig. Oben hui, unten pfui: Die
Schienen, die die
schnellsten, elegantesten und modernsten
Züge tragen, sind auf Brücken verlegt, die, biederste Konfektion
aus dem Baukasten, auf jede unverwechselbare Note verzichten.
Selbst über das Lahntal, beim Passieren
des Limburger Doms, in dem rheinische Spätromanik und französische
Frühgotik sich vereinen, war nicht mehr als die Standardlösung
vorgesehen. Und die Stütze sollte
gar mitten in den Fluß
gepflanzt werden. Dagegen hat Jörg
Schlaich, der als
Professor für Konstruktion und Entwurf
an der Universität
Stuttgart und Chef eines weltweit operierenden
Ingenieurbüros
zu den profiliertesten und phantasievollsten
Brückenbauern in
Deutschland gehört, Einspruch erhoben
und immerhin bewirkt,
daß der Pfeiler durch einen Bogen
ersetzt wird. Mehr erreichen
konnte er nicht: "Ein Kreisbogen mit einer
gar noch betonten
Punktlast, das tut weh! Früher hätte
sich der Beton einfach
geweigert, so etwas mit sich machen zu
lassen", ärgert er sich
in dem Vortrag "Der Bauingenieur und die
Baukultur", der 2001
in der Schriftenreihe der Stiftung Bauwesen
in Stuttgart
veröffentlicht wurde, und zieht zum
Vergleich ein Bauwerk
heran, das sich vor vierzig Jahren, in
ärmeren Zeiten und bei
technologisch geringeren Möglichkeiten,
ganz anders darstellte:
Die Autobahnbrücke über das
enge Glemstal bei
Schwieberdingen, 1962 von H. Bay und W.
Tiedje entworfen,
fügt sich, einen sehr viel schöneren
Bogen schlagend,
behutsamer und souveräner in die
Landschaft ein.
Während Museen, auch Banken und Bahnhöfe
mit hohen
künstlerischen Ansprüchen errichtet
werden, gelten Brücken,
obwohl nicht minder exponiert in der öffentlichen
Wahrnehmung, als schiere Nutzbauten und
inferiore Aufgaben.
Das war, und dafür ist die Glemstalbrücke
nur ein Beispiel von
vielen, nicht immer so. Im Niedergang
der Brückenbaukunst,
wie sie von dem öffentlichen Bauherrn
Deutsche Bahn - der
Bund, der für die Autobahnbrücken
zuständig ist, hat sich in
letzter Zeit etwas sensibler gezeigt -
gegen die kreative
Rationalität der Ingenieure sanktioniert
wird, findet mehr als
eine gestalterische Misere ihren Ausdruck.
Denn Brücken sind
immer auch symbolische Bauten, und so
spiegeln die Brücken
auf der neuen ICE-Strecke auch den abgestumpften
Pragmatismus eines "Unternehmens Zukunft".
Von "Baukultur",
wie das Bundesverkehrsministerium sie
propagiert, kann keine
Rede sein, und von Baukunst, die der neue
Begriff -
bezeichnenderweise - abgelöst hat,
schon gar nicht.
ANDREAS ROSSMANN
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2002,
Nr. 176 / Seite 33
Kontakt: E-Mail: schreck@arminwitt.de
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